Jürgen Westphal und die "Halberstädter Zeitenreise" sind eine feste Größe beim Halberstädter Parkfest. Sein neues Stück "Geheimes vom Geheimrat" hatte beim diesjährigen fünften Parkfest Premiere. Für die Sommerkomödie um Gleim, Goethe und den Landschaftspark Spiegelsberge hat Jürgen Westphal wiederum aus dem reichen Fundus der Geschichte und der Geschichten geschöpft.
Bekanntermaßen waren die Beziehungen zwischen beiden Dichtern von nicht allzu großer Herzlichkeit geprägt, zumindest was den Dichterfürsten aus Weimar angeht (wenngleich er sein Urteil über Gleim nach dessen Tod revidierte). Auch der Landschaftspark Spiegelsberge und die dort aufgestellten Skulpturen von J. C. Stubinitzky trafen nicht unbedingt den Geschmack des Geheimrates, was er teilweise in recht drastischen Worten zum Ausdruck brachte. All das, trotz des Engagements des Freiherrn von Spiegel zum Deesenberg dem Weimaraner sein Lebenswerk nahe zu bringen. Akzeptanz fand lediglich die schöne Frau von Branconi in Langenstein.
Mit dieser ein wenig "einseitigen" Haltung trifft in Westphals Stück Goethe auf die Halberstädter, die sich weder ihren "Vater Gleim" noch ihre schönen Spiegelsberge vermiesen lassen wollen. Sie basteln daher mit Erfolg an einer Retourkutsche und nutzen dabei manche Schwäche des Gastes für das schöne Geschlecht in persona von Maria Antonia von Branconi aus. Stubinitzky, in den Kleidern der verehrten Frau, entlockt Goethe vor vielen Augen- und Ohrenzeugen so manches galante Kompliment, bis die Sache auffliegt und Goethe das Nachsehen hat und umzudenken beginnt. Dieses führt ihn zu einer neuen Sicht der Dinge. Seinen Groll vergessend, findet er im Beisein von Gleim und Spiegel zu einer neuen Bewertung der Spiegelsberge, weil eben auch in den kleinen Dingen viel Freude und Vergnügen zu finden ist.
Frisches Spiel der Darsteller
Mit einem Umtrunk und einer Einladung zum Parkfest endet das Stück versöhnlich. Mit "Geheimes vom Geheimrat" hat Jürgen Westphal für die "Halberstädter Zeitenreise" ein Stück geschaffen, das jüngeren und älteren Darstellern gut spielbare Rollen bietet. Regisseur Jürgen Köster hat das unterhaltsame "Lehrspiel" mit leichter Hand inszeniert und gemeinsam mit Autor Westphal unter Rückgriff auf Elemente des Schäferspiels und der Commedia dell'Arte die 25 Mitwirkenden gut in Szene gesetzt. Mit viel Spielfreude und Präsenz agierte die Amateurtheatergruppe vor der malerischen Kulisse am Fuß des Belvedere, manchen spontanen Lacher des Publikums einfordernd.
Dank des frischen Spiels der Darsteller, allen voran Rüdiger Stecklenberg als "Spielführer" Stubinitzki, begleiteten die zahlreichen Zuschauer (selbst der Belvedere-Turm war besetzt) das Ensemble auf seiner Zeitreise in das Halberstadt des 18. Jahrhunderts. Die musikalische Leitung hatten Kerstin Kwoizalla und Richard Bartl übernommen.
Für die Technik war Peter Merten zuständig. Mit Beifall dankte das Publikum für 60 Minuten vergnügliches Spiel um Achtung, gegenseitigen Respekt und neue Einsichten.
(Volksstimme vom 14. August 2012)